Mit ÖGB/AK-Steuerkonzept zum Grundeinkommen?

Debattenbeitrag von Dr. Siegfried Kaiser (Attac Inhaltsgruppe Grundeinkommen)
Wien, 2. Oktober 2014

 

Vier Schritte vorwärts:

(1) Senkung des Eingangssteuersatzes.
(2) Wertschöpfungsabgabe für die Sozialversicherung.
(3) Vermögensteuer.
(4) Maßnahmen gegen Steuerbetrug.

 

Ein großer Schritt zurück:

Niedriger Höchststeuersatz erst ab höheren Jahreseinkommen.

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Siegfried Kaiser [re] bei der Veranstaltung „BGE Finanzierungsmodell“ in Graz, 17.09.2014 (Foto: privat)

Das Finanzierungsmodell für ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ (BGE) 2013, ein Diskussionspapier der Attac Inhaltsgruppe Grundeinkommen in Österreich, kann als Wegweiser für ein soziales Steuersystem dienen. Von 15.-21. September 2014 fand die 7. Internationale Woche des Grundeinkommens statt. Am Dienstagabend (16.09.2014) war ich gerade dabei die Präsentationsfolien für meinen Vortrag über die vieldiskutierte Finanzierungsfrage des BGE in Graz vorzubereiten, als ÖGB-Präsident Erich Foglar in der ZIB 2 das ÖGB/AK-Steuerkonzept darlegte. Je länger ich dem Gespräch mit Armin Wolf folgte, desto klarer wurde mir, dass das ÖGB/AK-Modell Ansätze enthält, die deutlich erkennbar, in Richtung des „BGE Finanzierungsmodells 2013“ gehen.

Die ÖGB/AK-Steuerplänen boten sich für einen Vergleich in meiner Argumentation an, da viele der Themen, die in unserer Modellrechnung ausführlich vorkommen, dort ebenfalls konkret behandelt werden: Steuergerechtigkeit, Lohnsteuer und Sozialversicherung, Vermögensteuer, steigender Konsum durch Umverteilung, Steuerbetrug (insbesondere bei der Umsatzsteuer). Darüber hinaus decken die Einnahmen aus diesen Punkten mehr als 70 Prozent der gesamten Staatseinnahmen (2012) ab.

 

BGE Finanzierungsmodell 2013

In unserem „BGE Finanzierungsmodell 2013“ ist Steuergerechtigkeit ein wesentlichen Faktor. Es ist als positives Zeichen zu sehen, wenn dies von ÖGB und AK nun ebenfalls verstärkt eingefordert wird und Faymann das Konzept von ÖGB und AK zur Parteilinie erklärt. Bleibt zu hoffen, dass den Worten auch Taten folgen.

Die derzeitigen Staatseinnahmen resultieren hauptsächlich aus lohnabhängigen Abgaben (wie Lohnsteuer, SV-Abgaben) und verbrauchsabhängigen Abgaben (wie Umsatzsteuer, Mineralölsteuer).

Unser Grundeinkommensmodell sieht ein steuer-und sozialversicherungsfreies BGE in der Höhe von monatlich 1.000 Euro für Erwachsene und von 800 Euro für Kinder und Jugendliche (bis 16 Jahre) vor, das14 mal im Jahr ausbezahlt wird. Die Finanzierung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) erfordert eine Neuorientierung des Steuersystems, bei dem vor allem folgende Kriterien Beachtung finden: (1) Steuergerechtigkeit, (2)vermehrte Einbeziehung von Kapitaleinkommen und Vermögen, (3) Entlastung vonArbeitseinkommen, sowie (4) höhere Besteuerung von Ressourcenverbrauch.

 

Erster Schritt nach vorne: Senkung des Eingangssteuersatzes und zusätzliche Steuertarifstufen

Wenn ÖGB und AK den Eingangssteuersatz von 36,5% auf 25% senken und die Anzahl der Steuerklassen von derzeit 3 auf 6 erweitern wollen, so ist das durchaus zu begrüßen, denn niedrige Einkommensollen entlastet werden. Obwohl ein Schritt in die richtige Richtung, so erscheint er noch immer halbherzig, wenn man die Ansätze unseres Finanzierungsmodells gegenüberstellt: Wir schlagen einen Eingangssteuersatz von 10% vor und erst die nächste Steuerstufe hat einen Steuersatz von 25%.

 

Ein großer Schritt zurück: Höherer Einstieg für Höchststeuersatz

Die Anzahl der Steuerstufen im ÖGB/AK-Modell würde jenen vom BGE-Finanzierungsmodell entsprechen, der Unterschied liegt jedoch in den Steuersätzen und dieser ist gravierend.

Denn erstens wurde beim ÖGB/AK-Steuermodell der Höchststeuersatz mit 50% in derselben Höhe wie bisher angesetzt. Beim „BGE Finanzierungsmodell 2013“ beträgt hingegen der Höchststeuersatz 75%.

Zweitens sieht das ÖGB/AK-Konzept vor, dass dieser Steuersatz erst ab einem Jahreseinkommen über 80.000 Euro wirkt. Derzeit liegt die Schwelle bei 60.000 Euro. Unser Modell setzt die Latte bei einem Jahreseinkommen von mehr als 49.000 Euro an, wobei zu betonen ist, dass das BGE in der Höhe von 14.000 Euro p.a. nicht eingerechnet wird, da es steuer- und sozialversicherungsfrei wäre.

Hier haben es ÖGB und AK verabsäumt, dass die oberen Einkommen entsprechend mehr für die Staatseinnahmen beitragen, was auch gleichzeitig einen Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit bedeuten würde.

 

Zweiter Schritt nach vorne: Wertschöpfungsabgabe

Dem Ansatz einer „Wertschöpfungsabgabe“ für die Sozialversicherung (SV) ist voll zuzustimmen und ist auch für das Grundeinkommensfinanzierungsmodell angedacht, da damit nicht nur die Lohn-, sondern auch die Kapitalkomponente für die SV-Abgaben einbezogen wird.

 

Dritter Schritt nach vorne: Vermögensteuer

Im „BGE Finanzierungsmodell 2013“ haben wir die Vermögensteuer auf Basis der von der AK korrigierten HFCS-Datenerrechnet [1]. Dabei zeigt sich, dass bei einem Steuerfreibetrag von 500.000 Euro ca. 90% der österreichischen Haushalte keine Vermögensteuer zahlen würden. Bei einem Freibetrag von 500.000 Euro und Steuersätzen mit moderaten Steigerungen von 0,5% bis 2,2% könnten wesentlich höhere Einnahmen an Vermögensteuer erzielt werden, als jene 2 Mrd. Euro, die im ÖGB/AK-Modell veranschlagt wurden.

Denn immerhin besitzen die „Reichsten 1%“ der Haushalte 469 Mrd. Euro. Das entspricht 38% des Gesamtvermögensund ist um 7% mehr als das Vermögen, das 90% der Gesamthaushalte besitzen [1].

Durch die Umverteilung rechnen ÖGB und AK mit steigendem Konsum, was wiederum zu höheren Staatseinnahmen im Ausmaß von einer Milliarde führen soll. Auch unser Finanzierungsmodell berücksichtigt diesen Umverteilungseffekt. Aufgrund des bedeuten höheren Volumens der Umverteilung würde dies allerdings wesentlich höhere Staatseinnahmen bewirken.

 

Vierter Schritt nach vorne: Maßnahmen gegen Steuerbetrug

Im ÖGB/AK-Steuerkonzept sollen durch Maßnahmen gegen Steuerbetrug 1 Mrd. Euro Mehreinnahmen erzielt werden. Das ist relativ milde angesetzt: ÖGB-Präsident Erich Foglar selbst sagte in der ZIB 2, dassalleine in der Umsatzsteuer 1 bis 3 Mrd. Euro an Steuereinnahmen verlorengehen.

Prof. Friedrich Schneider [2] errechnete für 2012, dass in Österreich durch Scheinrechnungen 2,3 Mrd. Euro an Umsatzsteuerhinterziehungen zu erwarten sind. Daher baut unser „BGE Finanzierungsmodell 2013“ auf ein neues System ohne Vorsteuer auf, wie von Prof. Schneider vorgeschlagen. In diesem System unterliegt nur der Letztverbraucher der Umsatzsteuerpflicht. Weiters berechnete ich für unser Grundeinkommensmodell die Umsatzsteuereinnahmen aus der Bruttowertschöpfung 2012 [3]. Unter Berücksichtigung der steuerfreien Umsätze ergeben sich voraussichtlich Umsatzsteuermehreinnahmen in der Höhe von 6,5 Mrd. Euro.

Beim ÖAAB- Steuerreformmodell ist es schwieriger konkrete Einschätzungen zu treffen, denn es fehlen genauere Angaben, umbeispielsweise zu erkennen, welche Auswirkungen die Abschaffung der Steuerklassen und damit verbunden, die Einführung eines Gleittarifes auf die unteren, mittleren und obersten Einkommensschichten hätte.

Eines ist aber jetzt schon klar: Die sogenannten “ArbeitnehmerInnen-Vertreter” vom ÖAAB vertreten nicht die Interessen der ArbeitnehmerInnen, wenn sie der Haltung der ÖVP folgen und neue Steuern und damit auch Vermögen-, Erbschafts- und Schenkungssteuer ablehnen.

Würde unsere „BGE Finanzierungsmodell 2013“ umgesetzt, so hätten übrigens ca. 90% der Menschen in Österreich unterm Strich mehr in der Geldtasche. Und mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen im Rücken die Möglichkeit in Freiheit tätig zu sein.

Dr. Siegfried Kaiser, studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaft an der WU Wien. Seit Oktober 2012 ist er Mitglied der Attac Finanzmarktgruppe und seit Jänner 2013 der Attac Inhaltsgruppe Grundeinkommen.

BGE Finanzierungsmodell 2013: http://community.attac.at/grundeinkommen.html
7. Internationale Woche des Grundeinkommens: https://www.pro-grundeinkommen.at/?p=2033

 

Quellenangaben:

[1] Datengrundlage AK Wien Aug. 2013; Materialien zu Wirtschaft u. Gesellschaft Nr. 122; Bestände u. Verteilung der Vermögen in Österreich, auf Basis der korrigierten HFCS-Daten (HouseholdFinance and Consumption Survey) der OeNB.
[2] Kurier Wirtschaftspolitik „Steuerbetrug: Es ist alles nur zum Schein“; 03.10.2012.
[3] Statistik Austria VGR 1980-2012.